Interim Management – eine Alternative für den öffentlichen Sektor?

"Interim ist, wenn die Hütte brennt."

14.11.2024

Im Interview: Julia Molt, Exense Interim Management

Interim Managerin Julia Molt

Julia Molt ist studierte Wirtschaftsmathematikerin, Inhaberin der Exense GmbH und als Interim Executive für Unternehmen im Wandel tätig. Sie war 16 Jahre bei der Bayerischen Landesbank in den Bereichen Unternehmens- und Finanzsteuerung tätig und hat ihre Umsetzungsstärke auch als Leiterin des Auslandsmanagements und M&A der Messe München GmbH unter Beweis gestellt.

Vor über 10 Jahren wechselte sie in die Organisationsberatung und begleitet heute Unternehmen, Teams und Einzelpersonen bei der strategischen Neuausrichtung, bei Transformationsprojekten, nachhaltigem Wachstum und Integration. Dabei liegen ihr „Mensch & Organisation“ in der persönlichen Begleitung gleichermaßen am Herzen. Julia Molt ist auf Organisationen des öffentlichen, sozialen, gemeinnützigen und Dienstleistungssektors spezialisiert.

Interim Managerin Julia Molt

Julia Molt ist studierte Wirtschaftsmathematikerin, Inhaberin der Exense GmbH und als Interim Executive für Unternehmen im Wandel tätig. Sie war 16 Jahre bei der Bayerischen Landesbank in den Bereichen Unternehmens- und Finanzsteuerung tätig und hat ihre Umsetzungsstärke auch als Leiterin des Auslandsmanagements und M&A der Messe München GmbH unter Beweis gestellt.

Vor über 10 Jahren wechselte sie in die Organisationsberatung und begleitet heute Unternehmen, Teams und Einzelpersonen bei der strategischen Neuausrichtung, bei Transformationsprojekten, nachhaltigem Wachstum und Integration. Dabei liegen ihr „Mensch & Organisation“ in der persönlichen Begleitung gleichermaßen am Herzen. Julia Molt ist auf Organisationen des öffentlichen, sozialen, gemeinnützigen und Dienstleistungssektors spezialisiert.

Frau Molt, wie sind Sie als Wirtschaftsmathematikerin zum Interim Management gekommen?

Nach fast 20 Jahren Tätigkeit bei der Messe München und der BayernLB als öffentliche Beteiligungsgesellschaften bin ich in die Organisationsberatung spezialisiert auf Mandanten des öffentlichen Sektors gewechselt. Die Tätigkeit als Organisationsberaterin ist in der Praxis oft eine Mischung aus Beratung und Executive Coaching sowie interimistischer Unterstützung des Managements. Die Beratung stand dabei nicht primär in meinem Fokus, da ich die Projektergebnisse persönlich auch mitverantworten wollte. Aus diesem Grund konzentriere ich mich heute aufs Interim Management, um Veränderungsinitiativen konkret umsetzen zu können. Als Verfechterin von Verantwortung, Verbindlichkeit und Umsetzungsexpertise fühle ich mich im Interim Management am besten aufgehoben.

Dank meiner langjährigen Managementerfahrung und Zusammenarbeit mit Ministern, Staatssekretären, Kommunalverwaltungs- und Behördenvertretern, also der ganzen Bandbreite der Verantwortungsträger des öffentlichen Bereichs, im Aufsichts- und Verwaltungsrat, kann ich die Anliegen der öffentlichen Mandanten zielorientiert umsetzen.

Gibt es im öffentlichen Bereich Unterschiede in der Entscheidungsfindung und im Umgang mit Interim Manager:innen im Vergleich zur Privatwirtschaft?

In nahezu jeder Branche gibt es Besonderheiten und eine spezielle Stakeholder-Klientel, für die man Geschick und Sensitivität benötigt. Generell gilt, wenn man den nötigen Cultural fit nicht mitbringt, wird die Arbeit schwierig. Im öffentlichen Bereich bedarf es zudem einer gewissen politischen Affinität und man muss mit der politisch geprägten Art und Weise der Entscheidungsfindung, dem Tempo und auch der Diskussionskultur zurechtkommen. Zuweilen braucht es einen längeren Atem und Überzeugungsarbeit, wogegen in der Wirtschaft klassische Renditebetrachtungen Management-Entscheidungen deutlich beschleunigen können.

Im öffentlichen Bereich sind Gremien häufig nicht nur groß, sondern auch politisch heterogen besetzt, sodass einer Entscheidungsfindung eher der Kompromiss statt die rationale Klarheit zugrunde liegt. Wie gehen Sie damit um?

Meine Expertise bezieht sich auf größere Beteiligungsgesellschaften auf Bund- und Landesebene – von Landesbanken über Flughafen- bis hin zu Messegesellschaften – dies ist noch einmal zu differenzieren von klassischen kommunalen Organisationen, wo der finanzielle Entscheidungsspielraum kleiner und die Unternehmenskultur eine andere ist. Wenn man hier Themen nach rein formal fachlich-sachlich Kriterien voranbringen möchte, kann es sein, dass man das Projektziel nicht erreicht. Wenn es beispielsweise um öffentliche Investitionen im zweistelligen Millionenbereich geht, ist es wichtig, die relevanten Stakeholder, zuständigen Gremien und Entscheidungsträger zu identifizieren, um frühzeitig in einen Dialog zu kommen.

Es ist ratsam, schon auf Arbeitsebene die Zielsetzung einer Transaktion klar zu kommunizieren, mögliche Positionen, Interessen und Bedarfe der Entscheidenden herauszuarbeiten und sie auch mit zielführenden Argumenten zu versorgen,  die sie selbst in ihren Gremien brauchen. Und dann braucht man trotzdem noch eine glückliche Hand!

Wenn Interim-Kräfte zum Einsatz kommen, besteht immer Handlungsdruck.

Julia Molt

Interim Management ist im Bereich der kommunalen Verwaltung noch eher ungewöhnlich. Im Bereich der Beteiligungen scheinen Interim-Einsätze mittlerweile öfter in Betracht zu kommen. Welche Erfahrungen haben Sie in diesen Auswahlprozessen gemacht?

Wenn Interim Kräfte zum Einsatz kommen, besteht immer Handlungsdruck. In der Regel sind es die Themen strategische Neuausrichtung oder Wachstum, die auf der Agenda stehen. Fehlendes Know-how, mangelnde Kapazitäten oder der Ausfall einer Führungskraft sind oftmals Anlässe, um die Organisation zeitlich begrenzt mit einem Interim Manager zu verstärken. Vakanzen im Management können aber auch durch Compliance-Fälle entstehen. Wenn dann plötzlich ein hochrangiger politischer Vertreter, wie ein Staatssekretär, die Geschäftsführung einer Beteiligung kurzfristig übernehmen muss, kommt es zum zeitlichen und fachlich-operativen Spagat mit den ureigensten Aufgaben. Die erforderlichen Managementkapazitäten vor Ort sind nicht vorhanden.

Als Interim Managerin stand ich in einem derartigen Fall in Kontakt mit einem Landesministerium, das eine Interim-Lösung in Erwägung zog. Letztendlich fiel die Wahl auf einen internen Vertreter aus der Verwaltung, der sich mit den Prozessen und gesetzlichen Vorgaben bestens auskennt. Es hat vielleicht der Mut gefehlt, in einer Ausnahmesituation der externen Umsetzungsexpertise Priorität einzuräumen. Im öffentlichen Sektor spielt das Sicherheitsbedürfnis eine große Rolle.

Liegt dieser Mangel an Risikobereitschaft an der größeren Sichtbarkeit und der Gefahr, öffentlich angeprangert zu werden?

Ja. Ich kann das in gewisser Weise auch verstehen. Ein heikler Punkt ist nicht nur die mediale Wahrnehmung, im öffentlichen Bereich müssen Entscheidungen unter Umständen auch vor dem Bundesrechnungshof verantwortet werden. Ich habe auch schon erlebt, dass die Staatsanwaltschaft vor der Tür steht oder der Eigentümer einer Beteiligungsgesellschaft die Geschäftsführung verklagt. Um so etwas zu verhindern, geht man lieber auf Nummer sicher.

Was wäre in solchen Fällen der Mehrwert einer externen Lösung?

Der Mehrwert liegt in den neuen Impulsen und gegebenenfalls einem neuen Lösungsansatz und Managementstil. Führungskräfte aus dem internen Pool können keine objektive und qualifizierte Spiegelung der Führungsstruktur oder der Zusammenarbeitskultur geben. Und ihnen fehlt oftmals die Erfahrung, wie Best Practice in der Wirtschaft aussieht. Man verspielt die Chance, sich neu auszurichten und ein wirklich neues Zielbild zu implementieren. Auch wenn die Interim-Kraft die Organisation wieder verlässt, bleibt die umgestaltete und vor allem befähigte Organisation. Dies muss man wirklich wollen und auch zulassen können. Dieser konkrete Umsetzungsimpact ist der große Vorteil von Interim Managern gegenüber reinen Beratern.

Wie war die Ausgangssituation, wenn sich öffentliche Beteiligungen für Sie als Interim Managerin und nicht für eine interne Lösung entschieden haben?

Meine Aufträge resultierten aus dem Bereich der organisatorischen und kulturellen Weiterentwicklung wachstumsorientierter Geschäftsmodelle und bestanden aus inhaltlich sowie zeitlich klar definierten Projektmanagementaufgaben, für die weder die Kapazitäten noch die Expertise im Unternehmen vorhanden waren. Man wusste um die Investition, die Interim Management zweifelsohne erfordert, hat diese kontrovers in den Gremien diskutiert und schließlich grünes Licht für das zeitlich begrenzte Interim Management gegeben.

Was sind die Highlights in diesen Projekten?

Sie haben als Interim Manager immer verschiedene Rollen: man ist Organisationsberater, Berater der Geschäftsführung, strukturiert die Teams und Prozesse neu und agiert als Management- oder Team-Coach. Diese kombinierten Kompetenzen zum Einsatz zu bringen – und das bestenfalls noch in einem internationalen Kontext in Verbindung damit gesellschaftlich-relevante Organisationen zu professionalisieren – bereitet mir persönlich viel Freude.

Haben Sie den Eindruck, Ihre öffentlichen Auftraggeber würde erneut mit Ihnen arbeiten?

Ja, das denke ich schon. Es war für alle eine gute Lernerfahrung und die Organisationen haben sicherlich davon profitiert. Ob sich das Lösungsangebot “Interim Management im öffentlichen Sektor” in Deutschland nachhaltig etablieren wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall gibt es immer wieder konkrete Anfragen für einen Interim Management-Einsatz.

Sind die Tagessätze von Interim Manager:innen im öffentlichen Bereich auf einem ähnlichen Niveau wie in der freien Wirtschaft oder müssen Interim-Kräfte in diesem Sektor Abstriche machen?

Im Non-Profit-Bereich wie dem Stiftungsbereich sind die Honorare spürbar geringer. Da muss man sich schon überlegen, ob man einen gesellschaftlichen Beitrag leisten möchte. Grundsätzlich hängen die Tagessätze aber stärker vom Aufgabenbereich, von der Komplexität des Projektes und auch der Laufzeit ab, weniger von der Art des Auftraggebers. Am Ende sind die Expertise und das Lösungsangebot ausschlaggebend – und auch ein bisschen der Stallgeruch, der die Erfolgsaussichten des Projekts untermauert.

Der Mehrwert von Interim Managern liegt in den neuen Impulsen sowie gegebenenfalls einem neuen Lösungsansatz und Managementstil.

Julia Molt

Sie waren selbst in der Position, Interim Manager:innen für öffentliche Beteiligungsunternehmen auszuwählen. Worauf muss man bei der Auswahl achten?

Die wenigsten Auftraggeber können ihren eigenen Auftrag präzise formulieren. Ein erfahrener Interim Manager unterstützt bei der Auftragsklärung, das Projektziel konkret zu definieren und zu verstehen. Im öffentlichen Sektor bietet Interim Management eine Riesenchance, Know-how hinzuzugewinnen. Entsprechend muss man die fachliche Expertise des Kandidaten genau abklopfen und prüfen, welchen Wissensbeitrag der Interim Manager leistet, um das Team und den Fachbereich zu qualifizieren und wirksam werden zu lassen. Überdies sollten die Erfolgs- und auch Misserfolgs-Geschichten des Interim Managers abgefragt werden. Erfolgskritisch ist im öffentlichen Sektor aber vor allem die individuelle Passung, also die Persönlichkeit. Jede Gesellschaft, jeder Sektor haben individuelle Besonderheiten – wenn man mit den Stakeholdern nicht klarkommt, wird man nicht erfolgreich sein.

Gibt es bestimmte Bereiche, die für den Einsatz von Interim Manager:innen prädestiniert sind?

Ich glaube, es hängt eher von der Größe und Organisationsstruktur eines Auftraggebers ab. In den größeren Beteiligungsgesellschaften ist die Notwendigkeit enorm groß, sich neu aufzustellen und als moderner Arbeitgeber im Hinblick auf demografische Veränderungen und den Fachkräftemangel zu positionieren. Von der fachlichen Ausrichtung sehe ich im Bereich der Finanzen und im Personalwesen die meisten Interim Manager im Einsatz.

Sie arbeiten auch als Business-Coach. Welcher Art sind die Coaching-Aufträge, die Sie aus dem öffentlichen Bereich erhalten?

Ich spreche lieber von Executive-Sparring, da es Aufträge im Unternehmenskontext sind. Die Themenstellungen sind dabei unterschiedlich. So habe ich bei einem schwierigen Generationenwechsel den neuen jungen Leiter eines Bauamtes einer Kommunalverwaltung begleitet. Bei einem Compliance-Fall ging es um die Positionierung und Stärkung eines Managers in einer politischen Gemengelage sowie auch darum, die persönliche gesundheitliche Balance in einem Druck-ausübenden Umfeld zu halten. Und als weiteres Mandat habe ich die Begleitung eines Chefarztes einer Universitätsklinik übernommen, der bestmöglich organisatorisch, kulturell sowie zügig in den operativen Betrieb einsteigen – und auch nicht wieder aussteigen – sollte. Dieser Chefarzt hatte allerdings eine große Grundmotivation für seine Aufgabe und sah die Notwendigkeit einer Coaching-Begleitung nicht wirklich. Das ist die Besonderheit, wenn man von einer dritten Partei einen Auftrag erhält.

Was möchten Sie dem öffentlichen Sektor im Hinblick auf die Arbeit mit Interim Manager:innen noch auf den Weg geben?

Seid mutig! Holt Euch das Wissen von außen, bereichert Euer Unternehmen. Definiert die Wertigkeit von Interim Managern nicht nur über die finanzielle Investition, sondern über die Professionalisierung der Organisation und das zügige Erreichen von Projektergebnissen. Es gibt in den Prozessen viel zu entstauben und in der Unternehmenskultur und der Zusammenarbeit viel zu modernisieren. Angesichts des demografischen Wandels, der gerade im öffentlichen Sektor auf uns zurollt, ist es umso dringlicher, sich mit den Chancen zu befassen, die das Interim Management bietet. Vielleicht fällt die Entscheidung nicht auf die klassischen Vertreter der freien Wirtschaft, aber es gibt so viele spannende Persönlichkeiten, die Aufträge im öffentlichen Sektor verbindlich umsetzen können. Erfolgreiche Projektarbeit, zeitlich fokussiert umgesetzt – mehr kann man sich in der öffentlichen Verwaltung doch kaum wünschen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Molt.

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