Das „Parship“ für LKW-Fahrer – eine Bewerberplattform für alle Fachkräfte

16.10.2020

Alle 5 Minuten registriert sich ein LKW-Fahrer auf der Online-Plattform des Start-ups JOBMATCH.ME. Nicht, um die Liebe des Lebens zu finden, aber immerhin geht es um die wohl zweitwichtigste Entscheidung des Lebensabschnittes: die Wahl des Arbeitgebers.

JOBMATCHME-TOPOS

Obwohl die Corona-Pandemie auch im Transport-Sektor für erhebliche Umsatzeinbußen gesorgt hat, sind die Perspektiven für Spediteure und Logistiker durchaus positiv, denn das Gütervolumen auf den Straßen wächst stetig. Dafür braucht es Fahrer. Doch die sind in Deutschland Mangelware und werden händeringend gesucht. Die Rekrutierung von geeignetem Fahrpersonal stellt die Unternehmen der Transport- und Logistikbranche vor immer größere Probleme. Das Start-up JOBMATCH.ME hat eine Plattform für nichtakademische Berufe geschaffen, die hilft, Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammenzubringen.

In Deutschland gibt es rund 540.000 LKW-Fahrer und viele davon sind vor allem eines: unzufrieden mit ihrer beruflichen Situation. Das liegt natürlich an den bekannten Branchenproblemen wie schwierige Arbeitszeiten, zunehmender Parkplatzmangel und häufig wenig ausgefeilte Umgangsformen, aber auch daran, dass die Wünsche und Erwartungen der Partner oftmals einfach nicht zusammenpassen. Resultat: Eine Fluktuation in der Branche von beachtlichen 20 Prozent. Das heißt, über 100.000 Fahrer wechseln jährlich in Deutschland den Job.

Der Hamburger Gründer Daniel Stancke ist angetreten, hier Abhilfe zu schaffen: „Jeder soll den Job bekommen, den er liebt“, so sein Credo. In zehn Jahren im Personalbereich eines führenden Automobilkonzerns hat er erlebt, wie eindimensionale Auswahlkriterien über 95 Prozent der Bewerber konsequent aussieben und Unternehmen dadurch sehr wahrscheinlich einige – erst auf den zweiten Blick – passende Kandidaten durch die Lappen gehen. „Insbesondere im nichtakademischen Fachkräftebereich, der nicht im Fokus von Headhuntern steht, werden mit den üblichen HR-Methoden nur grundlegende Qualifikationen abgefragt, die nicht berücksichtigen, wie ein Mensch tatsächlich ‚tickt‘. Bereits die Aussagekraft von Stellenanzeigen ist meist gering. Die Jobsuche wird dadurch frustrierend und das Matching ist Glückssache“, erklärt der Gründer seine Motivation. „Das sorgt oft für Unzufriedenheit und führt zwangsläufig zu hoher Fluktuation.“

Die Entscheidung, LKW-Fahrer und Speditionen passgenau zueinander zu bringen, fiel dabei ganz rational: Im Transportsektor ist der Mangel groß und gleichzeitig die Zahl der LKW-Fahrer sowie ihre Wechselbereitschaft hoch – ein idealer Markt also.

Stancke und eine Handvoll Mitstreiter brauchten für die Umsetzung ihrer Idee erst einmal Kapital und Know-how. Beides fanden sie bei fünf hochkarätigen Business Angels, die ihnen in den Bereichen Personaldiagnostik, Marketing und IT auf die Sprünge halfen und die Finanzierung sicherten. Unter dem aussagekräftigen Namen JOBMATCH.ME ging das Start-up dann 2016 zunächst mit einem klassischen Vermittlungsmodell für LKW-Fahrer und Speditionen an den Start. Das Matching wurde manuell ermittelt und dann der Kontakt hergestellt. Dieses Prozedere erwies sich jedoch mit zunehmender Skalierung als sehr aufwendig.

2017 wurde das Geschäftsmodell auf ein Abo-Prinzip umgestellt. Geschäftskunden zahlten eine monatliche Gebühr und erhielten dafür unbegrenzt viele Matches. Damals wurde das Feld noch von zwei Plattformen aus beackert: TRUCKJOBS richtete sich an Berufskraftfahrer, die eine Spedition suchen, TRUCKPRO wiederum an Speditionen, die ihrerseits einen LKW-Fahrer brauchten. Auch diese 2-Wege-Variante erwies sich als nicht optimal.

Die Fokussierung auf eine einzige Plattform brachte schließlich den Erfolg: Auf truck-jobs.com können sich sowohl LKW-Fahrer registrieren, als auch Speditionen ihre Vakanzen anbieten. Aktuell hat JOBMATCH.ME gut 1.000 Geschäftskunden, 156.000 Fahrer sind registriert – und monatlich kommen derzeit rund 6.000 weitere dazu. Für die Trucker ist die Registrierung kostenlos, Speditionen zahlen eine Gebühr, die abhängig vom gewählten Modell ist: On-demand oder permanenter Bedarf. Das läuft so gut, dass der Umsatz im vergangenen Jahr bei etwa 1,3 Millionen Euro lag. Tendenz steigend.

Mittlerweile 27 feste Mitarbeiter kümmern sich auf allen Kanälen darum, dass freie Jobs und verfügbare Fahrer matchen. Und Matches gibt es mittlerweile rund 3.500 im Monat. Basis dafür ist ein Online-Fragebogen, der neben fachlichen Qualifikationen und Erfahrungen auch die Motivation, Mentalität und Erwartungen des Fahrers erfasst. Algorithmen für maschinelles Lernen und neuronale Netzwerke ermitteln die größte Übereinstimmung von Kandidaten und Unternehmen, um die Basis für eine langfristig erfolgreiche Arbeitsbeziehung zu schaffen.

Was sich LKW-Fahrer wünschen und wie die Routinen bei der Jobsuche sind, haben die Gründer im Vorfeld in vielen Tagen und Nächten auf einschlägigen Raststätten und Autohöfen in zahllosen Gesprächen mit den Truckern erfragt. Und das gehört auch heute noch dazu: „Vor jeder Iteration unseres Systems gehen wir wieder auf den Rastplatz,“ berichtet Daniel Stancke.

Mit diesem Wissen berät JOBMATCH.ME seine Kunden, wie die Attraktivität der Angebote verbessert werden kann. „Manchmal ist es offensichtlich, warum Speditionen keine guten Leute bekommen. 20 Tage Urlaub sind einfach nicht überzeugend,“ erklärt Stancke. Und es funktioniert: JOBMATCH.ME-Kunden haben keinen Fahrermangel mehr, dafür aber zufriedene Trucker, nicht zuletzt, weil sie im vergangenen Jahr die Löhne um durchschnittlich 10 Prozent erhöht haben – die Branche liegt bei einem Plus von nur 3,5 Prozent. Neben den harten Fakten, wie Lohnhöhe oder Urlaubstage, zählt aber vor allem ein weicher Faktor: Wertschätzung.

Seit Sommer 2019 ist TOPOS Investor bei dem Start-up. „Wir sind von dem innovativen Ansatz im Recruitment und von der Mentalität des JOBMATCH.ME-Teams begeistert. Wir sehen sehr viel Potenzial und freuen uns, JOBMATCH.ME auf dem spannenden Weg zu begleiten, den Recruitingmarkt für Fachkräfte zu revolutionieren“, erklärt TOPOS-Geschäftsführer Florian Koenen sein Engagement. Denn JOBMATCH.ME ist angetreten, auch in anderen Branchen Arbeitsbeziehungen anzubahnen: Ende Januar 2020 fiel der Startschuss für das Vertical im Gesundheitswesen. So können sich auf JOBMATCH.ME Gesundheit nun auch Pflegekräfte und Unternehmen des medizinischen und pflegerischen Sektors registrieren. Und das haben in den ersten acht Monaten bereits über 10.000 Menschen getan.

Dass Personal im medizinisch-pflegerischen Bereich dringend gebraucht wird, ist nicht neu. In Zeiten von Corona wurde der Mangel aber besonders offensichtlich. Die Macher von JOBMATCH.ME waren sich ihrer Möglichkeiten bewusst und starteten die Corona-Hilfsaktion www.deutschland-helfer.org. Im Rahmen dieser Aktion stellten sie ihre intelligenten Matching-Algorithmen und die Plattform kostenfrei zur Verfügung und halfen, dass dringend benötigten Kräfte schnell gefunden werden konnten. Die Aktion fand einen großen Anklang und wurde sogar vom Bundesgesundheitsministerium empfohlen.

Nach Logistik und Gesundheitswesen peilen die Gründer den Bereich Soziales & Erziehung an: Ab Ende 2020 soll auch pädagogisches Fachpersonal über die App den Wunscharbeitgeber finden können – und umgekehrt. Das Ziel ist klar gesteckt: Eine Bewerberplattform für alle Fachkräfte!

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