Queference: Die Plattform für Online-Referenzen

14.06.2021

Im Interview: Jochen Eckhold,
Gründer des Start-ups Queference und Global HR-Director von HUGO BOSS

Jochen-Eckhold

Ein weiterer Sargnagel für das Arbeitszeugnis!

Das Online-Tool Queference will mehr Wahrheit und weniger Wohlwollen und bietet eine aussagekräftige Alternative zu standardisierten Arbeitszeugnissen. Queference erhebt im Auftrag von Unternehmen online und anonymisiert Referenzen über Bewerber und stellt die Ergebnisse Personalentscheidern als strukturierte Reports zur Verfügung. 

Jochen Eckhold hat Queference 2016 in Hamburg gegründet. Er verfügt über rund 30 Jahre Erfahrung im Personalmanagement global agierender Unternehmen wie Adidas, Tchibo oder Nixdorf, für die er viele Jahre in Asien und den USA tätig war. Heute ist Eckhold nicht nur Gründer von Queference, sondern auch Global HR-Director bei HUGO BOSS – schon zwei Gründe, ihn zu einem Interview einzuladen.

Herr Eckhold, zunächst eine Frage an den Personalleiter von HUGO BOSS: Was hat sich bei Ihnen im letzten Jahr in Bezug auf die Themen Digitalisierung, Arbeitszeitmodelle und Leadership verändert?

Corona hat uns gezeigt, was alles geht, wenn man nur will. Gerade in Bezug auf neue Arbeitszeitmodelle, Home-Office und die damit verbundene Nutzung digitaler Medien. Bei vielen Führungskräften war Home-Office ein absolutes No-Go und genau jene, die früher sehr skeptisch waren, sind mittlerweile die größten Fans.

Auf der anderen Seite muss man aber zugeben, dass die Qualität der digitalen Tools nicht beeindruckend ist. Ich muss häufig an die ersten Mobiltelefone denken, die man im Kofferraum verstaut hat – so ähnlich fühlt sich die vermeintlich digitale Technik für mich manchmal an. Das Handling der verschiedenen Programme ist nicht einheitlich, sehr sequenziell und kaum intuitiv. Wir haben zwar elektrifiziert, aber nicht wirklich digitalisiert. Die analoge Welt wurde ins Digitale übersetzt, aber die Art unserer Zusammenarbeit hat sich dabei nicht verändert, geschweige denn, unsere Art zu denken. Insgesamt sind die Möglichkeiten der Digitalisierung bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Dennoch hat uns das letzte Jahr in Bezug auf die Bereitschaft, uns auf neue Themen einzulassen, sicherlich zehn Jahre gespart. Insofern ist mein Fazit positiv.

„Home-Office – früher war es ja schon fast unanständig, das
Wort auch nur auszusprechen.“
Jochen Eckhold

Wie gehen die Führungskräfte bei HUGO BOSS mit den Home-Office-Empfehlungen um? Besteht Vertrauen in die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden, auch wenn mobil gearbeitet wird?

Ja, in jedem Fall. Mangelndes Vertrauen war sicherlich bisher das Hemmnis, Home-Office freizugeben. Nun haben Vorgesetzte zwangsweise gelernt, dass das Vertrauen nicht enttäuscht wird und die Mitarbeiter im Home-Office sogar noch produktiver arbeiten – wenn ich „Mitarbeiter“ sage, meine ich natürlich ebenso „Mitarbeiterinnen“. Der ungeplante Großversuch im Home-Office hat gezeigt, dass die physische Anwesenheit im Büro für das Arbeitsergebnis nicht entscheidend ist.

Die Ergebnisse der Umfragen, die wir regelmäßig unter den Mitarbeitern durchführen, waren erstaunlich: In der Mitte des ersten Lockdowns gaben 94 Prozent der Führungskräfte an, mit der Produktivität ihrer Mitarbeiter im Home-Office sehr zufrieden zu sein – ich sage mal ketzerisch, hätten wir in der Firma gefragt, sähe das Ergebnis wohl nicht so aus.

Dies hat uns bei HUGO BOSS bewogen, unabhängig von Verlauf der Corona-Pandemie dauerhaft auf mobiles Arbeiten zu setzen und einen neuen Standard zu implementieren. Im Oktober letzten Jahres ging unser Konzept „Threedom for Work“ an den Start. Das Arbeitsmodell sieht einen Mix aus Büropräsenz und Mobilarbeit vor: An drei Tagen wird im Büro gearbeitet, an den anderen beiden Tagen sind die Mitarbeiter frei in der Wahl ihres Arbeitsortes. Die Präsenztage stellen sicher, dass Meetings und Veranstaltungen planbar sind und fördern die Unternehmenskultur, die bei HUGO BOSS besonders auf dem persönlichen Miteinander beruht. Dem Beschluss zur Flexibilisierung der Arbeit ging eine interne Umfrage unter rund 2.000 Mitarbeitern voraus – mit eindeutigem Ergebnis: Über 90 Prozent der Befragten begrüßten zwei bis drei Tage mobiles Arbeiten in der Woche.

 

Wie ist die Idee zu Ihrem „privaten Projekt“ Queference entstanden?

Die Hauptmotivation war meine Abneigung gegen Arbeitszeugnisse. Ich finde sie aus zwei Gründen katastrophal: Zum einen entsteht administrativ ein immenser Aufwand, nur, um standardisierte Texte herauszugeben, zum anderen haben sie keinerlei Aussagekraft, da sie wohlwollend formuliert sein müssen und oft von Menschen geschrieben werden, die den Bewerber selbst nicht im Arbeitsumfeld erlebt haben. Aber welche Alternativen gibt es, um etwas über die Leistung und das Verhalten der Person zu erfahren? Interviews, Competence-Assessments oder Tests geben darüber keine Auskunft, also muss ich jemanden fragen, der mit dem Bewerber gearbeitet hat.

In den USA, wo ich viele Jahre gearbeitet habe, ist Referencing gang und gäbe. Zum einen in Form von Referenzen, da es in den USA keine Zeugnisse wie wir sie kennen gibt, zum anderen als Background-Checks. Die Bewerber sind es gewohnt, dass man sich über sie erkundigt. Letzteres ist in Deutschland noch nicht an der Tagesordnung.

Mit Queference sprechen wir mögliche Referenzgeber per E-Mail mit standardisierten Fragebögen an, dadurch ist der Prozess strukturiert und der Aufwand prozessual gering. Die Befragung erfolgt bewusst anonym. Ich weiß als Leser zwar wer geantwortet hat, aber nicht was. Nur auf diese Weise erhalte ich eine ehrliche Auskunft über die wirkliche Leistung und das Verhalten des Bewerbers in der beruflichen Praxis. Die gewonnenen Erkenntnisse führen zu einer Reduktion von Fehlbesetzungen und sparen dadurch nicht nur Zeit, sondern auch Geld.

Ein weiterer Vorteil ist, das weder ein Referenzgespräch vorbereitet werden muss, noch die Antworten für die Führungskraft aufbereitet werden müssen – eine erhebliche Verschlankung des Prozesses. Auf Knopfdruck wird der Input als Bericht ausgeworfen, was auch einen schnellen und direkten Vergleich verschiedener Bewerber ermöglicht – ein großer Service für die Führungskraft. Eine derartige Datenorientierung ist in der deutschen HR-Welt bisher noch nicht üblich. Das ist das Paket, das wir mit Queference geschnürt haben, um einen wirkungsvollen Ersatz für Arbeitszeugnisse zu schaffen.

„Ich lese keine Zeugnisse mehr.
Zeugnisse kann man sich sparen.“
Jochen Eckhold

Für wen ist das Tool gedacht? Wen sehen Sie als Ihre Zielgruppe?

Hauptsächlich sind dies Professionals in der Gehaltsrange 80.000 Euro aufwärts. In diesem Bereich nutzt man Referenzen bisher nicht, weil man den vermeintlichen Aufwand des Prozesses scheut. Diese Anstrengung wird aktuell nur auf C-Level unternommen. Ich finde es völlig in Ordnung, auf diesem Niveau einen Referenzgeber persönlich anzusprechen, auf dieser Ebene sollte man zumindest flankierend persönlich sprechen.

Mit unserem Tool sind Referenzerhebungen aber auch für die Vielzahl von Positionen praktikabel, die man in der Regel ersetzt, ohne eine Information aus dem vorherigen Arbeitsumfeld einzuholen. Dies gilt zum Beispiel für Vertrauensposition in niedrigeren Gehaltsklassen, wie etwa in der Gastronomie oder im Einzelhandel: Ein Verkäufer oder eine Verkäuferin, die gestohlen oder betrogen hat, wird entlassen und dann einfach weitergereicht. Ein weiterer sensibler Bereich ist die Pflege, wo Informationen aus erster Hand über die Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit eines Bewerbers unentbehrlich sind. Ich will nicht dramatisieren, aber hier kann durch entsprechende Auskünfte unter Umständen Schlimmes verhindert werden.

 

Benennen die Kandidaten die Referenzgeber oder filtern Sie die Ansprechpartner aus dem Lebenslauf heraus?

Die Bewerber für eine Position werden über die Web-App aufgefordert, mindestens drei Referenzgeber zu benennen. Diese werden von dem Recruiter des beauftragenden Unternehmens auf Relevanz geprüft und anschließend per E-Mail um die Abgabe einer Referenz über den jeweiligen Kandidaten mithilfe eines Fragebogens gebeten. Durch den geringen Aufwand für den Referenzgeber erreichen wir eine hohe Rücklaufquote von ca. 80-90 Prozent.  Das Unternehmen kann aus verschiedenen Fragebögen wählen und erhält detaillierte Aussagen über soziale Kompetenzen, Werte, Fachwissen, Erfahrung, Leistung, Motivation und Potenziale der Bewerber. Vorlagen können auch durch individuelle Zusatzfragen ergänzt werden.

Sobald mindestens zwei Referenzen eingegangen sind, kann der Recruiter über das Tool einen Einzelreport oder im Falle von mehreren Bewerbern auch einen Vergleichsreport ausgeben lassen. Die Ergebnisse werden übersichtlich grafisch aufbereitet und liegen innerhalb weniger Tage nach Beginn der Befragung vor. Für den Recruiter bedeutet der Prozess maximal zehn Minuten Arbeit.

„Referenzen sind ein extrem unterschätzter Faktor.“
Jochen Eckhold

Bekommt der Kandidat ein Feedback über die Referenzen?

Nein, das ist nicht vorgesehen. Der Fragebogen beinhaltet schließlich auch Freitextfelder, die den Referenzgeber anhand eines speziellen Schreibstils „entlarven“ und Rückschlüsse auf den Referenzgeber zulassen könnten. Datenschutz und Anonymität sind wesentliche Grundwerte von Queference.

 

Sie haben die Queference-Fragebögen in Zusammenarbeit mit der Universität Erlangen-Nürnberg erarbeitet. Wie lange hat die Entwicklung gedauert?

Durch die Zusammenarbeit mit der Universität Erlangen-Nürnberg, die über sehr viel Erfahrung im Bereich Diagnostik und der Erstellung von punktgenauen Fragebögen verfügt, haben wir dafür nur wenige Wochen gebraucht. Wir haben einen Vorschlag zur Erhebung der Inhalte gemacht, die Experten haben die Fragen aus professioneller Sicht analysiert und so aufbereitet, dass die gewünschten Informationen adäquat erfragt werden. Dadurch war der Prozess relativ unaufwändig. Die Entwicklung der Web-Applikation und des Webauftritts hat etwa ein Jahr beansprucht.

 

Wo stößt das Tool an seine Grenzen?

Tool-immanente Grenzen gibt es eigentlich nicht. Die Grenzen sind die eines jeden Referenzprozesses und liegen in der Zahl der Referenzgeber. Der limitierende Faktor ist insbesondere bei jungen Bewerbern die mangelnde Berufserfahrung, die geringe Zahl an Unternehmen, für die sie tätig waren und entsprechend wenige Referenzgeber, die ansprechbar sind.

Wir differenzieren die Referenzgeber in drei Kategorien: Vorgesetzte, Kollegen und Mitarbeiter. Zur Gewährleistung der Anonymität müssen wenigstens zwei Personen aus einer Kategorie benannt werden. Bestenfalls sind es drei bis vier, dann erhalten wir eine aussagekräftige 360-Grad-Beurteilung.

Widerstände erleben wir aktuell höchstens bei internen Bewerbungen bzw. Versetzungen. Bei der Überlegung, ob ein Mitarbeiter für eine teure Weiterbildungsmaßnahme geeignet ist oder für eine andere Position im Unternehmen, kann das Tool als flankierende Informationsquelle extrem hilfreich sein, dennoch zögern viele Unternehmen noch anonyme Bewertungen von Mitarbeitern und Führungskräften einzuholen. Dann wird lieber stillschweigend eine „heiße Kartoffel“ weitergereicht.

 

Was ist die für Sie entscheidende Frage bei der Beurteilung eines Bewerbers?

Würden Sie wieder mit dem Mitarbeiter zusammenarbeiten?

Mehr über Queference erfahren Sie unter: www.queference.com

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