Executive Search in Zeiten von Frauenquote und Gender-Gerechtigkeit

21.01.2021

Ausgangssituation

Mein Kunde, ein mittelständisches, inhabergeführtes und in der oberen Führungsriege stark männerdominiertes Unternehmen, erteilt mir den Auftrag eine Position auf Bereichsleitungsebene zu besetzen. Im Laufe des Projekts präsentieren wir via vertraulichem Bericht eine sehr gut geeignete Kandidatin und empfehlen die Einladung zu einem Gespräch. Das überraschende Feedback des CEO lautet: „Bitte suchen Sie weiter, wir warten mal noch ab und setzen die Kandidatin auf on-hold, wir hätten lieber einen Mann.“ Geschehen im 21. Jahrhundert. Und nun?

 

Ein kurzer Schwenk zur viel diskutierten Frauenquote kann nicht ausbleiben

Im Oktober 2019 gelang dem Softwarekonzern SAP der große Coup: Man verkündete, Jennifer Morgan werde gemeinsam mit Christian Klein den Vorstandsvorsitz des Unternehmens übernehmen. Damit wurde erstmals eine Frau zur Vorstandsvorsitzenden eines DAX-30-Konzerns berufen! Diese sensationelle Personalie werteten die Medien als Aufbruch in eine neue Zeit und als Zeichen des Fortschrittes bei der Gleichstellung von Frauen und Männern in den oberen Führungsetagen der Privatwirtschaft. Und das nicht zu Unrecht: Das neueste Managerinnen-Barometer des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) belegt, dass es nicht bei wenigen prominenten Highlights bleibt, sondern durchaus ein positiver Trend zu erkennen ist. So ist der Frauenanteil in den Vorständen großer Unternehmen in Deutschland im vergangenen Jahr etwas stärker gestiegen als in den Vorjahren. Die 200 umsatzstärksten Unternehmen übersprangen laut DIW erstmals die Zehn-Prozent-Marke. Dabei dürfe allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die positive Entwicklung von einem sehr niedrigen Niveau ausgeht. Geschlechterparität in den Vorständen der größten Unternehmen in Deutschland bleibt somit Zukunftsmusik. Jennifer Morgans Haltbarkeit im SAP-Vorstand betrug nur sechs Monate. Weil sie eine Frau ist? SAP geht nun als Unternehmen in die Geschichte ein, das die erste Frau an der Spitze bei erstbester Gelegenheit wieder aussortierte.

Ich bin keine 100%ige Befürworterin der Frauenquote, weil den ‚sogenannten‘ Quotenfrauen gern der Makel anhängt, nur aufgrund der Quote und nicht ihrer Expertise zu ihren Aufgaben gekommen zu sein. Aber offensichtlich scheint es nicht ohne Frauenquote zu gehen. Deutschland hinkt hier anderen europäischen Ländern weit hinterher und das, obwohl Frauen in den Führungsetagen europäischer Unternehmen ohnehin vielfach unterrepräsentiert sind. Laut Research Paper der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) von 2019 herrscht auch in den baltischen, osteuropäischen und skandinavischen Staaten, die in Europa zu den Volkswirtschaften mit dem höchsten Anteil von Frauen in Führungspositionen zählen, noch keine Parität. So bekleiden Frauen in Lettland nur 44 % der Positionen im mittleren und höheren Management, Slowenien liegt mit rund 42 % dahinter, gefolgt von Schweden, das etwa 40 % Frauen in Managementjobs verzeichnet. Insgesamt ist in den meisten europäischen Ländern weniger als ein Drittel der Führungskräfte weiblich. Deutschland kann diesbezüglich nicht glänzen: Frauen sind bei uns gerade einmal mit 28 % in der mittleren und höheren Führungsebene vertreten. Je höher die Führungsposition und je größer das Unternehmen ist, desto geringer die Wahrscheinlichkeit einer Frau zu begegnen. So wird in Deutschland nur etwa jedes siebente mittelständische Unternehmen von einer Frau geführt. Die Frauenquote zwingt die großen Unternehmen, mehr Frauen in Führungsjobs zu bringen – und dies wird hoffentlich mittelfristig auch eine Sogwirkung auf KMU haben.

Der Wandel wird sicherlich auch durch den Generationenwechsel im Management befeuert. Die Manager-Generation der heute 30- bis 40-Jährigen, die nach und nach das Ruder übernimmt, ist eher paritätisch ausgerichtet und weiß, dass es viele Frauen gibt, die mindestens ebenso kompetent wie ihre männlichen Kollegen sind.

Aber nun zurück zur geschilderten Ausgangssituation und damit vom Großen zum Kleinen: Wie gehe ich als Dienstleisterin mit dieser Herausforderung um?

 

Mein Fazit

In unserer vertraglichen Vereinbarung verpflichten sich beide, unser Kunde und auch wir, auf die Einhaltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Deshalb arbeiten wir bei unserer Recherche und Auswahl von passenden KandidatInnen genderneutral. In diesem speziellen Fall werden wir unserem Kunden auch weiterhin Kandidatinnen vorschlagen und die Einladung zu einem Gespräch empfehlen, die Vorteile der Kandidatin sehr deutlich herausarbeiten und kommunizieren. Den Kandidatinnen trotz eventueller Widerstände die Tür zu unserem Kunden zu öffnen, ist mein persönlicher kleiner Beitrag zum großen Thema. Es wird aber in jedem Fall gemeinsame Anstrengungen von Politik, Gesellschaft und Unternehmen brauchen, um nachhaltige Veränderungen beim Thema „Frauen im Management“ zu erzielen.

 

… einige Wochen später

Obwohl explizit ein Mann für die vakante Position gewünscht war, habe ich mich gemeinsam mit dem Head of HR des Kunden dafür eingesetzt, der Geschäftsführung auch eine weibliche TOP Kandidatin der Shortlist präsentieren zu können. Und sie überzeugte – mit Kompetenz, Erfahrung und natürlichen Führungsqualitäten. Nun haben wir ein tolles Placement – mit einer Frau.

Fingerprint