Easy to Work With - Die unterschätzte Superpower im Recruiting
Die Anforderungen an Fach- und Führungskräfte haben sich in den letzten Jahren gewandelt. Die heutige Arbeitswelt ist geprägt von Agilität, interdisziplinärer Zusammenarbeit und flachen Hierarchien – und genau in diesem Umfeld gewinnen Soft Skills entscheidend an Bedeutung. Fachkompetenzen bleiben essenziell, ihre Halbwertszeit wird jedoch immer kürzer und erfordert kontinuierliche Weiterentwicklung.
Gleichzeitig rückt ein Faktor zunehmend in den Fokus, der oft unterschätzt wird: zwischenmenschliche Fähigkeiten. Sie sind der Schlüssel dafür, wie gut eine Person in einem Team funktioniert und sich in dynamischen Strukturen bewegt. Eine Eigenschaft, die sich als besonders wertvoll erwiesen hat, ist „easy to work with“ – die Fähigkeit, unkompliziert und angenehm in der Zusammenarbeit zu sein.
Warum kann diese Form der Verträglichkeit als eine Art „Superkraft“ betrachtet werden? Und warum wird dieser Faktor dennoch in der Rekrutierung häufig übersehen? Für Unternehmen lohnt es sich in jedem Fall, diesen Aspekt gezielt in die Auswahl von Führungskräften und Mitarbeitenden einzubeziehen – denn ein starkes, harmonisches Team kann ein maßgeblicher Erfolgsfaktor sein.
Die Bedeutung der Kooperationsfähigkeit
Im modernen Arbeitsumfeld sind die Erwartungen an Manager:innen und Mitarbeitende komplexer und differenzierter geworden. Abteilungen sind oft international aufgestellt, Teammitglieder arbeiten ortsunabhängig, müssen flexibel auf sich permanent verändernde Anforderungen reagieren und schaffen Wert durch Kooperation und Synergien. In einem solchen Umfeld ist es nicht nur die fachliche Expertise, die über den Erfolg des Einzelnen entscheidet, sondern auch die Fähigkeit, sich nahtlos in ein Team einzufügen und konstruktive Arbeitsbeziehungen aufzubauen – auch als Führungskraft.
„Easy to work with“ beschreibt eine Kombination verschiedener Soft Skills, darunter Kommunikationsfähigkeit, Empathie, Anpassungsfähigkeit und Konfliktlösungskompetenz. Diese Fähigkeiten ermöglichen einer Person, mit unterschiedlichen Charakteren und Persönlichkeiten erfolgreich zu interagieren und ein Umfeld zu schaffen, das auf Zusammenarbeit und positive Dynamik ausgerichtet ist. Menschen, die als „easy to work with“ wahrgenommen werden, zeichnen sich besonders durch folgende Fähigkeiten aus:
- Effektive Kommunikation:
Sie sind in der Lage, klar und respektvoll ihre Meinung zu äußern, und können auch Kritik konstruktiv aufnehmen. - Empathie:
Sie haben ein Gespür für die Bedürfnisse und Gefühle anderer, was zu einem positiveren und inklusiveren Arbeitsklima beiträgt. - Anpassungsfähigkeit:
In einer sich wandelnden Arbeitswelt reagieren sie flexibel auf Veränderungen und passen sich neuen Situationen schnell an, ohne dass Konflikte oder Missverständnisse entstehen. - Konfliktlösungskompetenz:
Sollte es zu Spannungen kommen, entschärfen sie Konflikte sachlich und lösungsorientiert.
Warum „easy to work with“ oft unterschätzt wird
Obwohl „easy to work with“ im Arbeitsalltag einen großen Unterschied macht, wird dieser Faktor in der Rekrutierung häufig vernachlässigt. Die Gründe dafür sind vielseitig:
1. Fokus auf Fachkompetenz:
In vielen Rekrutierungsprozessen liegt der Schwerpunkt stark auf den „harten“ Fakten wie Ausbildung, Berufserfahrung und technischen Fähigkeiten. Es ist nachvollziehbar, dass Unternehmen sicherstellen möchten, dass eine neue Kraft die nötigen Fachkenntnisse mitbringt. Soft Skills werden hingegen oft als „nice to have“ abgetan und rücken in den Hintergrund.
2. Schwierigkeit der Messung:
Fachliche Kompetenzen lassen sich meist relativ einfach anhand von Abschlüssen, Zertifikaten oder entsprechend strukturierten fachlichen Interviews überprüfen. Soft Skills hingegen sind schwieriger zu bewerten. Wie misst man beispielsweise die Fähigkeit, in schwierigen Situationen empathisch zu handeln oder reibungslos mit anderen zusammenzuarbeiten? Häufig fehlen den Rekrutierungsverantwortlichen die geeigneten Werkzeuge, um diese Eigenschaften in Bewerbungsprozessen gezielt zu erkennen. Möglich wären beispielsweise Persönlichkeitstests, gezielte Interviewtechniken oder Einzel-
Assessments, die passende Aufgaben enthalten.
3. Zeitdruck und Ressourcenmangel:
In vielen Branchen herrscht oft hoher Druck, offene Stellen rasch zu besetzen. In solchen Fällen wird der Auswahlprozess rationalisiert und es bleibt wenig Zeit, um zwischenmenschliche Fähigkeiten gezielt zu prüfen. Dies kann zu suboptimalen Entscheidungen führen.
Wie Unternehmen „easy to work with“ im Recruiting gewinnbringend berücksichtigen können
Damit der Faktor „easy to work with“ bei der Rekrutierung nicht länger übersehen, sondern effektiv genutzt wird, können Unternehmen verschiedene Strategien verfolgen. Die besten Resultate werden oft durch eine Kombination der Ansätze erzielt:
1. Strukturierte Interviews mit Soft-Skill-Fokus:
Bereits im Bewerbungsgespräch sollte gezielt auf Soft Skills eingegangen werden. Fragen wie „Wie lösen Sie Konflikte im Team?“, „Wie berücksichtigen Sie dabei unterschiedliche Perspektiven?“ oder „Welche Strategien nutzen Sie, um mit Feedback umzugehen?“ können Aufschluss darüber geben, wie sich Kandidat:innen in einer Teamsituation verhalten.
2. Rollenspiele und Assessment Center:
Durch praxisnahe Rollenspiele oder Simulationen im Assessment Center kann direkt beobachtet werden, wie eine Führungskraft in typischen Arbeitssituationen agiert.
3. Einsatz wissenschaftlicher Persönlichkeitstests:
Tests wie der „Personality Profiler“ können wertvolle Einblicke in den Grundtypus der Persönlichkeit eines Menschen geben und eine Basis für das Interview bilden.
4. Einbeziehung des Teams in den Auswahlprozess:
In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, das zukünftige Team bereits frühzeitig in den Auswahlprozess einzubinden. Teammitglieder können einschätzen, ob die Bewerberin oder der Bewerber zur bestehenden Dynamik passt und wie er oder sie sich in Situationen der Zusammenarbeit schlägt.
5. Referenzeinholung:
In telefonischen Referenzgesprächen mit früheren Arbeitgebern, Kolleg:innen und Kooperationspartnern können vertrauliche Informationen zum Verhalten von Führungskräften oder Mitarbeitenden eingeholt werden, die bei der Bewertung der Eignung helfen.
„Easy to work with“ als Schlüssel zum Unternehmenserfolg
Die Fähigkeit, „easy to work with“ zu sein, ist in der heutigen vernetzten und teamorientierten Arbeitswelt eine unverzichtbare „Superkraft“. Unternehmen, die gezielt auf zwischenmenschliche Fähigkeiten achten und sicherstellen, dass neue Mitarbeitende und Führungskräfte gut ins Team passen, profitieren von einer besseren Teamdynamik, geringerer Fluktuation, effizienter Kommunikation und letztendlich höherer Produktivität. In der Personalwahl sollte „easy to work with“ daher den gleichen Stellenwert wie Fachkompetenz haben – denn die besten Ergebnisse entstehen, wenn alle Rädchen im Team reibungslos ineinandergreifen.
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