Prof. Dr. Diane Robers

Dr. Diane Robers ist seit 2011 Professorin für Service Innovation & Entrepreneurship an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel bei Wiesbaden. Die studierte Diplom-Kauffrau versteht sich als Frau der Praxis und hat dies in mehr als 20 Jahren im Marketing und Innovationsmanagement in leitenden Positionen bei der Mercedes-Benz AG und PricewaterhouseCoopers bewiesen.

Ihre Expertise schätzte auch die letzte Bundesregierung und berief sie im Jahr 2014 in die Expertengruppe „Innovationsdialog der Bundesregierung“. Sie berät verschiedene Unternehmen und Verbände und leitet seit 1. September 2021 die Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hans-Seidel-Stiftung in München. Dieses Pensum ist nur mit Leidenschaft für die Sache zu schaffen. Und genauso haben wir sie auch im TOPOS-Interview erlebt.

Frau Professor Robers, wie sind Sie zum Thema Innovation gekommen?

Das Thema hat sich während meiner Zeit bei PwC entwickelt. Hier stellte sich das Innovationsthema in seiner gesamten Komplexität. Von der theoretischen Perspektive aus betrachtet, ist Innovation eine Wachstumsstrategie, d.h. es geht darum, in bestehenden Märkten neue Produkte oder Dienstleistungen anzubieten. PwC hat seine Innovationsaktivitäten dazu genutzt, neue Services rund um Prüfung, Steuerberatung und Consulting aufzubauen und wurde dadurch auch intern spannend für neue Karrieremodelle. In dieser Tätigkeit habe ich mich damals als eine der ersten Serviceinnovations-Forscherinnen auf Unternehmensseite mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vernetzt, um diesbezügliches Wissen und Innovationsideen weiterzuentwickeln. Daraus ergaben sich dann Projekte mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung wie z.B. die strategische Allianz „Fit for Innovation“, die in praktischen Beispielen zeigt, wie die betriebliche Innovationsfähigkeit gestärkt werden kann. Das Innovationswesen und die Produktentwicklung bei PwC führten mich schließlich an die EBS Universität für Wirtschaft und Recht, wo ich den Bereich Innovationsmanagement & Entrepreneurship als Professorin of Management Practice übernommen habe.

Was mich antreibt, ist die Frage, wie wir in Deutschland und in Europa mit Innovationen besser vorankommen können. Letztendlich geht es doch darum, wie wir Erfindungen in reale Produkte, Services oder Geschäftsmodelle ummünzen, damit wir neben exzellenter Forschung weiter an der künftigen globalen Wertschöpfung partizipieren.

 

Heißt Entrepreneurship zwangsläufig Innovation?

Bei Gründungen ist der Innovationsaspekt in der Regel immanent. Man sucht eine Angebotslücke und nutzt dabei neue Technologien, um Angebote und Services für die Kund:innen leichter zugänglich, komfortabler und vor allem nutzbringender zu gestalten. Der Kundennutzen ist dabei Leitgedanke. Mein Marketing-Professor Hans Raffée an der Universität Mannheim hat für mich den entscheidenden Satz geprägt: Letztendlich geht es darum, „im Kopf des Kunden zu denken und im Herzen des Kunden zu fühlen.“

Kern jeder Gründung ist, die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und sie auch zu treffen. Die Verlockung ist groß, sich in interessanten Technologiepfaden zu verlieren oder sich von der Idee einer globalen möglichen Skalierung blenden zu lassen. Aber Gründer:innen dürfen konkrete Fragen, wer ist meine Zielgruppe, was ist mein Alleinstellungsmerkmal, wie ist meine Kostenstruktur und wie verdiene ich am Ende Geld, nicht aus dem Fokus verlieren.

 

Wer kommt zu Ihnen an die EBS? Menschen, die planen, mit einer guten Idee zu gründen und sich nur noch das nötige Rüstzeug holen wollen?

Es ist nicht immer von Anfang an klar, dass gegründet werden soll. Es braucht ja nicht nur die gute Idee, sondern vor allem die Gründerpersönlichkeit, die Gründermentalität und das gute Team, das sogenannte „Founders Team“. Oft sind die Wege nicht linear, „Entrepreneur“ ist schließlich keine Kaminkehrer-Karriere. Die Student:innen kommen in selteneren Fällen direkt mit einer Gründungsidee. Sie lernen in unseren Bachelor-, Master- oder MBA-Kursen das Handwerkszeug, dazu gehören nicht nur Entrepreneurship-Vorlesungen, sondern auch Strategiekurse, Marketing, Finanzen u.v.m. Besonders durch Kurse mit Praxisprojekten und die Vernetzung mit unseren Alumni erhalten Sie Werkzeug und Netzwerk und gewinnen somit Spaß und Mut selbst zu gründen. Unsere Student:innen kommen aus aller Welt. Sie bringen unterschiedliche Vorbildungen aus Schulen, Praktika oder Unternehmen mit, sodass sich eine spannende und fruchtbare Interaktion verschiedener Wissens- und Kulturwelten ergibt. In einer Uni sind wir zudem in einem geschützten Raum, der erlaubt, die Erfahrungen und Kompetenzen Einzelner zu kombinieren und dann den jeweils richtigen Weg herauszufinden – kurz: Innovation zu üben.

 

Was macht die EBS so besonders?

Die EBS bietet durch ihre Alumni ein unglaubliches Netzwerk, über das die Student:innen an Know-how, Kontakte und bestenfalls auch an das notwendige Venture-Capital kommen. Dies klug zu nutzen, ist auch ein Teil des Trainings. Wir verstehen uns dabei nicht als akademische Lehrer im klassischen Sinne, bei uns steht die Praxisorientierung im Vordergrund. Wir organisieren z.B. Pitch Days, unterstützen dabei, Förderstipendien zu bekommen und fungieren mit unserer Erfahrung oft als Sparringspartner. Seit zwei Jahren betreiben wir aus unserem Strascheg Competence Centre for Impact in Innovation and Entrepreneurship heraus die Gründungsfabrik Rheingau – für die mein Kollege Dr. Christoph Munck-Rieder verantwortlich zeichnet – gemeinsam mit der Hochschule Geisenheim und bringen so Studierende auch über die Hochschulgrenzen hinaus zusammen.

Unsere Masterand:innen und jungen Wissenschaftler:innen sind aber nicht nur auf der Suche nach der nächsten großen Startup-Idee, sondern beschäftigen sich auch mit neu entstehenden Forschungsfragen. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Einflussfaktoren durch den Green Deal, der Berücksichtigung von ESG-Kriterien oder auch den Anforderungen der Circular Economy ergibt sich großes Potenzial für den Innovationsbereich und für die Student:innen, einen Beitrag zu leisten. Spannende praktische Fragen entwickeln wir in Forschungsprojekten weiter, Forschungsfragen werden mit praktischer Relevanz hinterlegt. So zum Beispiel aktuell zur Zukunft der Arbeit oder zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im Kontext von Nachhaltigkeit. Manche Doktorand:innen bringen auch eigene Themen aus ihrer Berufswelt mit, was andere Kolleg:innen dann wiederum befruchtet. Insgesamt ist die EBS eine tolle Plattform und bietet durch die motivierten Professorenkolleg:innen aus den unterschiedlichen Fachgebieten vielfältige Insights und professionelle Begleitung durch inspirieren, fordern und fördern unserer studentischen Talente.

„Gründer:innen brauchen Passion, Perseverance und Smart Talent.“
Prof. Diane Robers

Was versteckt sich hinter der Gründermentalität? Was müssen die Student:innen mitbringen?

Als Gründer:in muss man Seismograph sein. Man muss ein Gespür für die Themen haben, deren Relevanz und vor allem für den richtigen Zeitpunkt. Dazu kommen drei wichtige Komponenten für den Erfolg: „Passion, Perseverance und Smart Talent“ – also die eigene Leidenschaft, das notwendige Durchhaltevermögen und das Gefühl für das passende Team. Im internationalen Durchschnitt ist nur jede neunte Gründung erfolgreich, d.h. man muss ggfs. acht Fehlversuche wegstecken. Rückschläge muss man aushalten können und Durchhaltevermögen trainieren. Als unsere Aufgabe als Mentor:innen verstehe ich aber auch so, dass wir versuchen, erfolgreiche Gründer:innen im Land zu halten. Denn wir brauchen in Deutschland ganz dringend eine Nachfolgegeneration des Mittelstandes, die neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringt und die internationale Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft sichert.

 

Sind die Gründer:innen „grüner“ geworden?

Das Umfeld und die Notwendigkeiten beeinflussen natürlich. Nachhaltige Ressourcennutzung ist hier ein großes Stichwort. Dennoch sollte man die Student:innen nicht in eine bestimmte Richtung drängen. Man steht nicht auf der Seite des Bösen, nur weil man zu AI forscht und ist nicht zwingend ein guter Mensch, wenn es um Green Tech geht. Mehrere Technologien nebeneinander zu betrachten, hat uns in Deutschland immer sehr erfolgreich gemacht. Wenn wir Gründungen im Land fördern wollen, müssen wir auch technologische Freiheit gewährleisten. Junge Menschen reflektieren heute kritisch, prüfen genau, was sie tun und sind offen für Argumente. Genau prüfen, sollten aber auch Investoren, in welche Start-ups sie investieren, ob das Geschäftsmodell valide und tragfähig ist. Heute ist sehr viel Geld im Spiel und interessante Anlagemöglichkeiten sind nur begrenzt verfügbar, da wird zum Teil nicht genau hingesehen.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die aktuellen Gefahren für die Ökonomie?

Der Anteil Deutschlands an den weltweit exportierten Hightech-Waren hat sich in den letzten 30 Jahren nahezu halbiert. Und auch die Investitionsausgaben in Forschung und Entwicklung sind in 2020 um rund 6 Prozent zurückgegangen – außer in Italien sind sie nirgendwo in Europa so stark gesunken. Das sind besorgniserregende Zahlen. Fehlende Innovationen kosten am Ende Wachstum. Die aktuell noch guten Prognosen für die Wirtschaft verschleiern die Situation der nur noch langsam steigenden Produktivität.

Insgesamt haben wir zu viele Baustellen: Demografischer Wandel, Dekarbonisierung, Digitalisierung und auch Deglobalisierungstendenzen wirken gleichzeitig und wechselseitig auf das Geschäftsmodell der deutschen Unternehmen. Dazu kommt die aktuelle Lieferkettenproblematik. Wir sind immer noch auf einem guten Niveau, müssen aber aufpassen, dass wir unseren Wohlstand nicht gefährden. Insbesondere dem Mittelstand wird durch die Umbauanforderungen viel aufgebürdet. Hier braucht es mehr Verständnis zwischen Politik und Wirtschaft – schließlich sorgt die Wirtschaft dafür, dass Arbeitsplätze geschaffen werden und Steuergelder fließen können. Die Politik kann wiederum durch notwendige Infrastrukturmaßnahmen förderliche Rahmenbedingungen für die Innovationskraft des Standorts schaffen.

 

Was macht gutes Innovationsmanagement in einem Unternehmen aus? Auf welche Punkte kommt es an?

Die schwierigste Komponente ist sicherlich die Implementierung einer Innovationskultur, die letztendlich die Basis für alles Weitere ist. Innovationsprozesse müssen gemanagt und Innovationskompetenz entwickelt werden. Ein Controlling muss überprüfen, inwieweit die gewählte Innovationsstrategie auch erreicht wird. Und natürlich braucht es gutes Innovationsmarketing, das die Prozessschritte kommuniziert und den Innovationserfolg sichert. Ich empfehle meinen Student:innen maßvoll vorzugehen: „Do not overdo“ – nimm Dir nicht gleich zu viel vor. Und: „No waste“ – verschwende keine Ressourcen.

„Wir brauchen mehr Geschwindigkeit in der Verwaltung und mehr Digitalkompetenz.“
Prof. Diane Robers

Welche Innovationen beschäftigen Sie in Ihrer neuen Rolle bei der Hans-Seidel-Stiftung?

Die Themen, mit denen ich mich forscherisch beschäftigen werde, drehen sich um die Innovationsmöglichkeiten der öffentlichen Hand, der Verwaltungen und Kommunen sowie die Frage, wie sie mit der Wirtschaft gleichziehen können. Bürgerinnen und Bürger sind auch Kunden, die heute anders und zeitgemäß bedient werden wollen. Im Zuge dessen gibt es viele Ansatzpunkte für innovative Geschäftsmodelle für den öffentlichen Bereich. Die GovTech-Start-up-Szene macht es vor. Insgesamt müssten die Services viel einfacher und digitaler werden. Kunden erwarten Dienstleistungen oder Produkte gebündelt auf einer Plattform, ortsunabhängig und natürlich 24/7. Man will nicht noch eine App anschieben müssen, um zum Ziel zu kommen, sondern eine einfache, zentrale Schnittstelle für Verwaltungsdienstleistungen. Diese Erkenntnis ist in der privaten Dienstleistungswirtschaft bereits angekommen. Hier können Dienstleister der öffentlichen Hand aufholen.

 

Wo sehen Sie Deutschland im internationalen Vergleich, insbesondere vor dem Hintergrund der Globalisierung, aufgestellt? Sind wir zu langsam und ersticken in unseren eigenen Regularien?

Wir brauchen sowohl mehr Geschwindigkeit in der Verwaltung als auch mehr Digitalkompetenz. Zumindest hinsichtlich der technischen Ausstattung hat Corona stark geholfen. Die öffentliche Hand muss sich aber einem anderen Mindset öffnen. Im privaten Sektor herrscht eine andere Denkart und die Notwendigkeit, das Überleben aus eigener Kraft zu sichern. Die Verwaltung hat zwar auch budgetäre Zwänge, wird aber durch Steuergelder finanziert. Neben der Evaluierung der eigenen Tätigkeiten, wird es immer wichtiger, gute Beispiele innovativer Verwaltungen aufzuzeigen, die zielgruppenorientiert und bürgernah denken und die Bedürfnisse gut fokussieren. Durch gute Beispiele können andere lernen.

Ich sehe meine derzeitige Aufgabe als Chance, die Kommunikation zwischen beiden Welten zu verbessern – mit Wertschätzung auf beiden Seiten. Weniger Bürokratie ist ein entscheidender Punkt. Regulierung hat ihren Zweck und ihre Berechtigung, vor allem im Kontext globaler Monopole. Wenn es aber darum geht, jungen Gründer:innen zu helfen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die die zukünftigen deutschen Unicorns werden können, bedarf es vielmehr einer guten Incentivierung: durch gute Bildungsangebote, Technologieförderung, Finanzierungsmöglichkeiten und einer State-of-the-art-Infrastruktur.

 

Frau Professor Robers, vielen Dank für das Gespräch.

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